Chronik des Schützenvereins Wesel-Fusternberg
Die Anfänge eines gemeinschaftlichen Zusammenschlusses der Bevölkerung unserer Gemarkung Fusternberg zum Schutz der Heimat reichen nachweislich bis ins Jahr 1813 zurück. Damals fluteten Teile des in Russland geschlagenen Franzosenheeres durch unsere Gebiet in die französische Festung Wesel zurück, requirierten Tiere und Verpflegung, brannte Häuser und Höfe nieder und unternahmen zahlreiche Beutezüge aus der Festung heraus. Die ansässigen Bauern mussten sich mit Dreschflegeln und Mistgabeln ihrer Haut wehren bis zur Kapitulation der Franzosen 1814.
Altes Vereinsfoto
Aus dieser Notgemeinschaft der Familien ostwärts der Festung Wesel und nördlich der Lippe entwickelten sich zwei Schützengilden. Die erste nannte sich 'Junggesellen der Lippeseite und feierte eine Art Schützenfest alljährlich auf Gut Vinkel, wo Schnapsbrennerei und Wirtschaft waren. Die andere „Schützenverein der Bruchseite" kam jedes Jahr auf einer großen Deel zusammen. Um 1833 vereinigten sich diese beiden Gilden zum Schützenverein Obrighoven. Der Fusternberger Schützenverein wurde 1841 durch Trennung von diesem Schützenverein gegründet, nachdem die Bevölkerung von etwa 50 Familien des Jahres 1815 auf fast 100 Familien anno 1840 angewachsen war. Über diese Entstehung verfasste der ehemalige Vereinsführer der Obrighovener, Herr Arnold von der Mark, am 10. Juni 1928 eine Niederschrift, die der Präsident Alfons Körner bei der Fahnenweihe der Fusternberger 1951 überreichte. Darin heißt es: ... „Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass gleich nach dem Freiheitskriege 1813 – 1815 zwischen der von Napoleon I. im Jahre 1810 angelegten Heerstraße Wesel – Münster und dem Lippefluß eine aus den wenigen Bewohnern der damaligen Zeit gebildete Schützengilde bestanden hat. Diese nannte sich „die Junggesellen der Lippeseite". Den Beweis hierfür liefern die noch vorhandenen alten Fahnenstangen. Dieselben stehen eine auf dem Ober-Vinkel und eine in dem Vereinslokal Heinrich Schepers. Nach mündlicher Überlieferung ist diese Schützengilde sehr klein gewesen, da nur wenige Bewohner vorhanden waren. Es waren dies die Einwohner des ganzen Fusternbergs und die Bewohner der Güter bzw. Höfe Lilienveen, Wackenbruch, Aap, Weißenberg, Buttendick, Vinkel und Schwarzenstein. Gefeiert wurde damals schon auf dem Weißen-berg, wo auch der der Scheibenstand hergerichtet war, auch auf dem Ober-Vinkel, wo Gastwirtschaft und Branntweinbrennerei waren. Dort logierten auch die Schiffer, welchen von Westfalen nach Holland durch die damals schiffbare Lippe fuhren.
Im Jahre 1841, als sich der Fusternberg schon mehr bevölkert hatte, entstand dort ein eigener Schützenverein. Es ist der heute noch vorhandene alte Fusternberger Schützenverein. Der kleine Rest der Gemeinde Obrighoven südlich zwischen der Landstraße nach Münster und der Lippe blieb allein und hat sich zu gleichen Zeit mit dem nordöstlichen Teil der Gemeinde Obrighoven vereinigt und trägt den Namen „Schützenverein der Bruchseite".
Mögen sich doch immer Männer finden, die mit ganzer Kraft dafür streben, der Bevölkerung diesen schönen Brauch zu erhalten. Die Feste, die gefeiert werden, sind im wahrsten Sinne des Wortes Volksfeste, woran sich die ganze Gemeinde beteiligt". Soweit die Abschrift aus dem Protokollbuch des Nachbarvereins Obrighoven. Eine der hier erwähnten Fahnen stammt aus dem Jahre 1842. Sie war eine Schwenkfahne mit kurzes Schaft und schwerem Knauf, trug in den Fahnenecken die Insignien der Stifter
J. H. (Julius Hendricks, Gärtner, Feldmark 46) und H. N. (Hein Nünninghoff, Feldmark 53) beide Fusternberger. Diese älteste, in der Wirtschaft Schepers aufbewahrte Fahne ist vielen alten Kameraden in Erinnerung, die 1931 beim damaligen Jubiläumsfest der Obrighovener dabei waren. Heute sind nur noch ein Teil des Schaftes und die Fahnenspitze vorhanden. Von der anderen Fahne aus dem Jahre 1867 ist heute nur noch der Rest des Fahnentuches vorhanden.
Es ist weiterhin nachgewiesen, dass einige Fusternberger vor 1840 bereits der Jagdkompanie in der Bürgerwehr angehörten, die Stadtrat Carl von Marle führte und die hauptsächlich aus Feldmark Bewohnern bestand. Als Offiziere stehen hier die Fusternberger Namen: Wirt Eldrin, genannt Heyberg, Bierbrauer Franz Michant und der Ökonom Gerhard Lühl. Das Direktorium dieses Jäger und Schützenvereins teilt mit, dass am 29. Mai 1841 auf dem neu errichteten Schießstand bei Lacour die Schießübungen eröffnet werden.
Schon am 7. Juli 1741 findet auf dem Wackenbruch ein Scheibenschießen statt. Auf der Festwiese, wo drei Zelte aufgeschlagen waren, fand sich eine ungemein große Anzahl Zuschauer hohen und niedrigen Standes, auch der Oberbürgermeister und einige Magistratpersonen. 1787 und 1801 wurde die Feldmarker Reiterkompanie reorganisiert, nachdem auch eine Streit um Anerkennung der Feldmarker als Bürger und ihre Zulassung in Offiziersstellungen ausgetragen wurde, denn eine Seite vertrat den Standpunkt, dass die Feldmark wohl zum städtischen Verbande gehöre, aber um Bürger zu sein, Jagdrechte auszuüben und Offizier zu werden, müsse man in der Stadt seinen Wohnsitz haben.
Durch die beiden Weltkriege sind unserem Verein fast alle Unterlagen aus dem vorigen Jahrhundert verloren gegangen; um so wertvoller erscheinen uns heute die noch gut erhaltenen, gedruckten Statuten des Vereins von 1869, beschlossen in der Generalversammlung vom 14. März 1869 und gleichzeitige Stiftung eines Vereinsabzeichens, das von jedem getragen werden musste.
Aus den etwa 80 Paragraphen, die sich mit Zweck, Mitgliedschaft, Beiträgen, Generalversammlung, Festfeiern und Strafbestimmungen befassen, sind zwei Reglements interessant. Laut § 22 bestand der Vorstand aus
a) dem Obersten,
b) dessen Adjutanten,
c) dem Major als Verwalter der Casse,
d) dessen Adjutanten, der zugleich die Arbeit eines Rendanten zu besorgen hat,
e) 4 Beisitzern, die aus dem Bataillon gewählt werden (1886 heißt es hier: 2 Hauptleute, wahrscheinlich durch die Kompanieeinteilung entstanden – 4 Leutnants, 2 Beisitzern, die aus dem Bataillon gewählt werden) und die Paragraphen über Anzugordnung und Königsschießen:
Offiziere: dunkler Anzug, dunkler Schützenhut mit grüner Kordel und Quast, weiße Handschuhe, Degen mit Portèpè, Schützen-Eqaulettes, weiß-rote Schärpe, Fähnriche und Feld-webel wie vor, jedoch ohne Equaulettes, Unteroffiziere mit Hirschfänger, Schützen mit Büchse oder Flinte, welche jedoch nicht geladen sein darf, und mit Schützentasche.
Der Schützenanzug mit grünem Rock wurde etwa 1890 eingeführt.
Zum Königsschießen wurde nur zugelassen, wer an Paraden und Festzügen in vorgeschriebener Bekleidung teilnahm. Die Reihenfolge des Schießens wurde ausgelost: „ ... wer Nr. 1 durch das Los erhält, schießt dem alten würdigen Herkommen gemäß für Seine Majestät den König von Preußen. Der 2 Schuß kommt dem vorigen Schützenkönigen, der 3. dem Oberst zu ..."
1869 bestand der Vogel aus Kopf, Rumpf, rechtem und linkem Flügen.
Wenn der Königschuß gefallen, erfolgt Proklamation des Königs, seine Thronbesteigung und seine durch den Oberst zu vollziehende Dekoration. Letztere besteht in einer silbernen Medaille mit der Inschrift „dem Könige des Schützenfestes zu Fusternberg 18 ..", welche Auszeichnung während des Festes an einem rot-weißen Bande um den Hals , nach abgelaufenem Königsjahre aber an einem ähnlichen Band auf der linken Brust getragen wird. Der König hat sich sodann eine Königin zu wählen aus den in § 43 einführbaren Frauen oder Jungfrauen.
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Johann Kühling, König von 1870, aufgenommen an seiner diamantenen Hochzeit
Vor 1870 wurden die Feste in der Wirtschaft Busch, später Oppenberg gefeiert, die damals auf dem heutigen Grundstück des Gärtners Buszello stand. Dieser Raum wurde bald zu klein, weshalb man fürs Schützenfest ein Zelt anbaute. Danach wurde das Schützenfest abwechselnd im Lilienveen als Haus Gerbers bekannt – und etwa um 1880 in Schützenhof Kretschmer veranstaltet, der dann von Cloos übernommen und 1919 an Drießen verkauft wurde. Dieser Schützenhof war ein Holzhaus mit Bretterverschalung und stand rechts an der Fusternberger Straße vor der Abzweigung zur Schillwiese, wo er kurz nach dem zweiten Weltkriege abgerissen wurde.
Auch damals schon besaß der Verein Jungschützen, die es sich nicht nehmen ließen, das Schützenfest vorzubereiten. Sie besorgten Grün für die Girlanden und schmückten die Straßen aus. Im Anschluss an den Samstagabend-Zapfenstreich wurde der Vogel an einer großen, bekränzten Stange befestigt und im Fackelschein zum Lippehafen getragen, an dessen Damm das Königschießen stattfand und zwar stehend freihändig. Einen Schießstand gab es noch nicht; mangels Kugelfang schoss man einfach in Richtung Lippeweiden.
Ab 1912 wurde auf dem eigenen Scheiben- und Vogelstand bei Schütze-Cloos geschossen. Im Jahre 1914 endete das Schützenfest bereits mit dem Scheibenschießen. Zum Königsschießen kam es nicht mehr, weil der Krieg ausgebrochen war und viele Schützen eingezogen und verladen wurden.
Nach dem Kriege fand 1920 das erste Königschießen bei Drießen statt. Die Schützenröcke wurden aus umgefärbten Soldatenröcken beschafft oder von der Feldmark ausgeliehen. Auch der originelle Frühschoppen montags ist vielen Fusternbergern in schönster Erinnerung. Einige Schützen hatten sich in einer „3. Kompanie" zusammengefunden, die nur nach dem Fest in Erscheinung trat. Sie schneiderten sich eine Fahne, die vom Maler August Oppenberg mit folgenden Worten beschriftet war: „ Wir wollen noch einen genießen – bei Schnelling, Vogt und Drießen". Auf der Rückseite prangte – wie konnte es anders sein – ein Schlaatkopp". Mit ihrer Fahne zogen die Schützen von einer Wirtschaft zur anderen, sammelten mit einem Hut und hatten Spaß daran, den Erlös auch gleich in Gerstensaft umzusetzen. Bekannt und beliebt war auch der Frühschoppen auf den Hofe Neu-Dohlhoff, wo es Salzheringe und Freibier gab.
„Wer den letzten Rest des Vogels heruntergeholt hatte, ist König". Und es ereignete sich kurz vor der Jahrhundertwende, dass der stolze Vogel nach einem Schuß noch einen Augenblick fest auf der Stange saß, bis eine plötzliche Windböe ihn herunterfegte, weshalb der glückliche König den Beinamen „Windkönig" erhielt. Natürlich sind bei diesem Volksschützenfesten im Lauf der Jahre viele Anekdoten entstanden, die die Alten sich heute immer noch erzählen. Als 1937 der aktive Hauptmann Heinrich Gilhaus den Königsschuß tat und der abgedankte Hauptmann Taubach in vollem Uniformschmuck einspringen musste, veranlasste dies Oberst Neuhaus zu folgendem Satz in seiner Thronrede: „Auch ein alter Schütze hütet seine Uniform wie seinen Augapfel!".
Thronfoto 1887
Ein Major wünschte stets bei seiner Schützenfestansprache allen Schützen „frohe Feststag und dass ich keine Klagen höre!". Nach dem Königschießen sprengten er und sein Adjutant mit ihren Pferden über die Barriere am Flam, stärkten sich bei Verwandten in Bucholtwelmen und waren pünktlich bei der Parade zur Stelle. – Im Jahre 1888 hatte sich der Schützenkönig ein junges 17-jähriges Mädchen aus der Korbmacherstraße als Königin ausersehen. Der berittene Adjutant galoppierte in die Stadt, konnte aber auch mit Hilfe ihres Vaters die Auserwählte nicht finden. Wie diese uns vor einigen Jahren erzählte, hatte sie damals Angst, Königin zu werden; weil sie sich vor einer Absage scheute, hatte sie sich mit Erfolg auf dem Dachboden versteckt. Kurz vor Vollendung ihres 92. Geburtstages ließ Frau Schmitz geb. Dorowsky aus der Korbmacherstraße uns ihr Erlebnis wissen. Die im vorigen Jahrhundert vorhandene Feierlichkeit eines Schützenfestes, die exakte wortgenaue Schilderung und ein national-christliches Empfinden strahlen aus dem Bericht der „Weseler Zeitung" vom 29.8.1888:
Schützenfest zu Fusternberg 1888
So wie die beiden Festtage, so verlief auch am Sonntag den 26. cr. die Nachfeier des Fusternberger Schützenvereins, begünstigt vom herrlichen Wetter und schloß sich die Feier in würdiger Weise der anderen an. Nachdem nachmittags das Königspaar, umgeben vom Hofstaat, abgeholt war, begann der Festzug durch den prächtig geschmückten Ort. Im Festsaal wieder angelangt, begann die Königsparade, welche durch die musterhafte militärische Haltung der Kameraden sehr gut ausgeführt wurde und dem Verein alle Ehre machte. In schönen Worten bedankte sich Se. Majestät für die ihm dargebrachte Ehre und endete mit einem Hoch auf das Emporblühen des Vereins. Jetzt nahmen die Volksbelustigungen ihren Anfang und es wurde viel Schönes und Überraschendes geboten, namentlich erregte das sechsbeinige Schwein große Bewunderung, sowie auch die 7 Fuß große und 4 Zentner schwere Riesendame. Gegen 8 Uhr begann der Königsball und verlief bis zum Schluß in fröhlicher Weise. Auch wollen wir nicht unterlassen, der Musikkapelle des Westf. Feld-Art.-Reg Nr. 7 für ihre herrlich ausgeführte Konzertstücke unseren tiefgefühltesten Dank abzustatten. Ebenso sprechen wir dem Vereinswirt A. Cloos für die guten erfrischenden Speisen und Getränke, sowie für die aufmerksame Bedienung unsern besten Dank aus. So ist denn in würdevoller Weise, durch keinen Misston geprägt, das Fest beendet worden. – Noch ein weihevoller Akt des Festes, wenn auch etwas verspätet, verdient hier hervorgehoben zu werden. Beim Zapfenstreich am Vorabende des Schützenhfestes wurde dem eifrigsten und tüchtigsten Mitglied, dem Hauptmann der 2. Kompanie H. Schepers, welcher schon lange krank und dem Feste nicht beiwohnen konnte , eine wohlverdiente Ehre teil. Nachdem die Kameraden ihren verehrten Hauptmann begrüßt hatten, bewegte sich der Zug nach der Behausung des geliebten, leider kranken Hauptmanns, wo die Musikkapelle den Choral: „Ich bete an die Macht der Liebe", anstimmte. Darauf trug der Gesangverein „Eintracht" „Das treue deutsche Herz" vor. Mit bewegten Worten hob nun der Kamerad O. die Verdienste des treuen Kranken hervor und wollen hier so ungefähr die schönen Worten folgen lassen:
„Kameraden! Wohl nicht mir freudig bewegten Herzen haben wir uns hier an den Vorabenden des Festes an diesem Orte versammelt. Ein jeder Kamerad weiß und fühlt es deutliche, dass ein treuer und lieber, ja ich möchte sagen, der bester Kamerad in unsern Reihen fehlt. Ach, mit des geschickten Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten und so hat denn ein Leiden, wie euch allen bekannt, unseren werten Schützenbruder und Hauptmann bereits vor einem Jahr auf das Krankenlager geworfen. Wie gerne möchte er mit uns vereint das Fest verleben! Obgleich es ihm nicht vergönnt ist, dem Feste persönlich zu beizuwohnen, so wird er doch mit uns im Geiste feiern und mit voller Freude wird sein Herz erfüllt sein, wenn er vernimmt, dass das Fest getragen von schönster Harmonie in Eintracht und Liebe unter uns ist gefeiert worden. Sein unermüdliches Wirken und Schaffen für den Verein, dem er mit Leib und Seele ergeben, hat ihm in den Herzen seiner Kameraden ein bleibendes Denkmal gesetzt und selbst bei seinem Kranksein ist er noch die Seele des Vereins. Mit mattem Körper hat er sich noch jüngst in den Vorstandsversammlungen eingefunden und ihm mir Rat zur Seite gestanden, damit das Fest in althergebrachter Weise sich gestalten möge. So erfüllt er noch bis zur heutigen Stunde das schöne Gelübde, das er geleistet hat, als ihm im vorigen Jahre die Kameraden als einen Beweis treuer Kameradschaft und Liebe einen Ehrendegen überreichten. Ja Kameraden, er hat viel getan und dass er uns noch lange erhalten bleiben möge, wollen wir unsere Blicke nach oben wenden zu dem Gott, der Wunden schlägt aber auch wieder heilt und ihn bitten, dass er unserem lieben und werten Kameraden seine Gesundheit, Kraft und Stärke wiedergebe zu allgemeinen Freude für uns, die wir uns hier versammelt haben, und seiner Freunde,, aber auch zu ganz besonderen Freude, zum Glück und Segen seiner schwergeprüften Familie; das walte Gott"!
Tief ergriffen war die ganze Festversammlung nach diesen aus dem Herzen gesprochenen Worten, ja Tränen standen vielen in den Augen. In einigen Worten suchte der verehrte Kranke für die ihn überraschende Freude seinen Dank abzustatten und wünschte jedem fröhliche Festtage. Zum zweiten Male stimmte nun der Musikchor den Choral: „ Harre meine Seele, harre des Herrn" an und trug denselben in sehr schöner Weise vor. Den Schluß der ergreifenden Feier machte der Gesangverein „Eintracht" durch den sehr gediegenen Vortrag: „An das Vaterland".
Vereinsfoto 1907
Aufschlussreich sind auch die Aufzeichnungen im heute noch vorhandenen Buch der „2. Kompanie, angefangen im Jahre 1890" unter dem Hauptmann Albert Spickermann, weitergeführt 1893 – 1905 Hauptmann Heinrich Nettelbusch, 1905 – 1914 Wilhelm Drost, 1920 – 1933 Wilhelm Gilhaus und ab da von Franz Spickermann. Anfangs hatte die 2. Kompanie 37 aktive Schützen und 10 Rekruten als Neuaufnahmen, 1921 bereits 114 Schützen.
Wie weit kam man doch damals mit der Goldmark: mit 8,75 Mark konnte 1908 die Kompanie mit Freibier versorgt werden. Für einen ausgiebigen Frühschoppen mit Wurst und Schinken zahlte man für 52 Schützen nur 18,20 Mark. Nach der Inflationszeit kostete ein Liter Bier 50 Pfennig, das Brötchen nur 2 Pfennig. Zur Auffrischung der Kompaniekasse ersann man allerlei Einnahmequellen: Schaureiten auf einem Esel, den Karl Jung zur Verfügung stellte, Schubkarrenfahrten, Stangenklettern, Ballwerfen usw. Diese Belustigungen führten die Kameraden Baumeister und Bottebrot durch. In der 20er Jahren verfasst Josef Kühling, der 1926 an erlittenen Kriegsverletzungen starb, ein Gedicht über die damalige Zeit, das er bei einem Familienfest im Schützenhof Drießen vortrug:
Dä Weselsche Jong
Dä Weselsche Jong, dat is en Streck all von dä äschte Ogenbleck.
Wenn heij kömmt an Dageslecht, mäkt heij glick en froh Gesecht.
Strampelt met de Beenches dann. Schreit, wat heij man schreie kann.
Dreie, se öm ok in en Duk, heij schlöpt niet, bis heij kregt en Schluck.
Int' Äte is heij ok niet full, alles stoppt heij in de Mull.
Fief Pulle Meik in ene Dag, ok Eier heij ganze gerne mag.
Hät heij äsch de Bux mol an, klemmt ob Desch on Stühl heij dann.
Wat heij kreg, es alles futsch. Schlägt ok manchmol Trumblebutsch.
Kömmt heij en de Scholl harin, mäkt heij nex wie Onsinn drin.
Ärgt de Lehrer, wo heij kann, haut de andere Jonges dann.
Schmitt härom met decke Stehen, schuppt de Mädchens an de Been.
Oft dann mäkt heij et tu doll, dann hause se öm de Hucke voll.
Spöle düt heij de School oft on gern met Kneckers, Penkholt, Käschesteen.
Bäske on ok Blende Kuh, Räuber on Schampit dortu.
Oft verschannelt heij de School, dann geht et öm an't Kamisol.
Heij denkt, de School es me to kleen. Ät schönste is es op de Pleen.
Met en Loffgel süht man öhm gohn, op de Wies löt heij öm stohn,
Knallböchse mäkt heij mit Gescheck, bajt sech oft in Rhin on Lepp.
Nor de Issel geht heij dann op de Stichelingskesfang.
Nor de Gaaden geht heij dann, wo heiy Appele zoppe kann.
Kömmt heij üt de Scholl harüt, en Meister sükt sin Vade üt.
Mackes gävt et dor niet schleckt, doch heij mäkt en froh Gesecht.
Es heij als Gesell dann rip, köpt heij sich en lange Piep,
Geht nort Konzert, on nort Theater, alle Ovend wod et later.
Sonndagsmeddags hät heij frei, dann geht et op de Freierei.
No Fusternberg met sinne Schecks, do gävt ät dann en guje Schmecks.
En, twee, der de Danz geht los, ach, wat es dat schön beij Klos.
Ömmer froh, on ömmer heiter, den Musik spölt emmer weiter.
All de Klore, Bier on Winn, schött heij en dat Lif harin.
Hät heij dann dan rechteg Moot, mäkt Schandal heij op de Stroot.
Doch lostig es heij ömmerdor. Sin Vader wor jo äwenso.
So stosst mol an, dann mein eck äve, dä Weselsche Jong, Hoch soll heij lläve.
Vereinsführer 1914-1935
Da der Saal bei Drießen für die 200 Schützenmitglieder zu klein geworden war, wechselte man 1929 in den großen Saal bei Johann Schnelling an der Schermbecker Landstraße, wo nebenan auch ein Scheibenstand gebaut worden war. Kleinere Feiern, wie Familienfeste, fanden im Lilienveen statt. Da einige Schützenmitglieder mit dem Lokalwechsel nicht einverstanden waren, gründeten sie den Schützenverein „Bleib treu", der nur einige Jahre bestanden hat.
Das letzte friedensmäßige Schützenfest stand 1939 bei Schnelling im großen Saal und im daneben errichteten 17 Bordzelt . Bald danach zogen viele Schützen in den zweiten Weltkrieg, aus dem manch fröhlicher Schützenbruder nicht mehr zum Fusternberg heimkehrte.
Nach dem schweren Krieg
Am 16. Juli 1949 lud Mannschaftsführer Heinrich Gillhaus die alten Mitglieder, sowie Freunde und Gönner des Vereins zu einer Versammlung bei Schnelling ein. 75 Teilnehmer riefen unter der Versammlungsleitung von Kamerad Eugen Sodenkamp den Fusternberger Schützeverein wieder ins Leben. Einstimmig wurde Fritz Neuhaus wieder als Vereinsführer bestätigt und ein Familienfest am 24. September 1949 veranstaltet.
In den nächsten Versammlungen wurde der Vorstand gewählt, die Satzungen von 116 Mitgliedern unterzeichnet, ein Vergnügungsausschuss gegründet und die Kassengeschäfte in Gang gebracht. Unsere Vereinsfahne hatten alliierte Soldaten im Vereinslokal Schnelling „an sich genommen" und blieb verschollen. So wurde mit einer Geldsammlung eine neue Fahne beschafft und diese beim ersten Schützenfest nach dem Kriege, am 2. Juli 1950 auf der Festwiese bei Heinrich Neu geweiht Achten Ehrenjungfrauen: Anneliese Peters, Marga Lohmeier trugen die verhüllte Fahne. Schönfeld, Marianne Aldenpaß, Wilma Bühnen, Irmgard Penning und Marga Lohmeier trugen die verhüllte Fahne bei herrlichem Sonnenschein. Präsident Alfons Körner vom Nachbarverein Obrighoven hielt die Festrede und übergab die Fahne unserem Verein. Die Glückwünsche überbrachten Geschäftsführer Karl Ortlinghaus vom Weseler Tambourkorps, Präsident Heinrich Borgmann aus der Feldmark, Vereinsführer van Wasen vom „Brüner Tor", Präsident Scharnhorst von Drevenack, Vereinsführer Zell aus Lackhausen, Vereinsführer Hansen aus Flüren.
Etwa 50 Sänger vom MGV „Eintracht" Fusternberg umrahmten die Feier. Mit klingendem Spiel des Tambourcorps und der Kapelle zogen die sechs Schützenvereine durch die Gemarkung in den Saal Schnelling zum 110. Schützenfest der Fusternberger, womit der Start zur steilen Auswärtsentwicklung unseres Vereins vollzogen war.
Die früher getragenen Holzgewehre wurden von der englischen Besatzungszonenregierung nicht mehr erlaubt, ebenso verzichtete man auf Hirschfänger und Säbel. Anfang noch mit dunklem Anzug und Schützenhut ausgestattet, beherrschte aber bald der grüne Rock mit Schützentasche das festliche Bild.
Am 7. April 1951 wurde das ehemalige Weseler Tambourkorps 1911, das schon Jahre vor dem Kriege unserem Festzug vorangespielt hatte, als eigener Spielmannszug in den Verein aufgenommen.Der Wunsch vieler Fusternberger, ein würdiges Ehrenmal für alle Gefallenen, Vermissten und die Bombenopfer beider Weltkriege zu errichten, konnte durch die Tatkraft unseres Mitgliedes Eugen Sodenkamp, der Hilfe der Schützen, der Sänger des MGV „Eintracht", der Radsportler „Vesalia" und Dank der Spenden aller Vereine, vieler Firmen und Gönner am 28. Juni 1952 verwirklicht werden. Die Festrede zur Einweihung des Ehrenmals hielt unser Schirmherr Egon Ramms. Bürgermeister Fournell überbrachte die Grüße der Stadt und versprach die gärtnerische Pflege durch die Stadtverwaltung, während die Sänger, die Spielleute und Kapelle Kind die würdige Feier umrahmten, die mit dem großen Zapfenstreich schloß.
Über die Errichtung des Ehrenmals gibt die im Grundstein eingelassene Urkunde Aufschluss: „Die Gemarkung von Fusternberg baute im Jahre 1952 ein Ehrenmal zur Erinnerung an ihre Gefallenen der beiden Weltkriege, sowie der Toten, die durch Bombenangriffe ums Leben gekommen sind. Alle Bürger vom Fusternberg geloben, dieses Werk der Gemeinschaft in ihre Obhut zu nehmen. Durch tatkräftige und unermüdliche Sammlung von Geld und Sachspenden durch den Bürger Eugen Sodenkamp wurde unter dessen Bauleitung durch folgende Unternehmer und Firmen: B. Reismann, W. Hoffacker, W. Backhaus und H. Lauer, Sowie den Mitgliedern des Schützen-; Gesang- und Radfahrvereins dessen Bauwerk erstellt.
Der inzwischen verstorbene Bürger Franz Vogt, verstorben am 2. November 1951. 67 Jahre alt, hatte in seinem Nachlass der Gemeinschaft, vertreten durch folgende Bürger: Ww. Änne Vogt, Walter Schwindricks, Heinrich Neu, Paul Kühling, Bernhard Johland, sowie Eugen Sodenkamp
Das Grundstück kostenlos zur Verfügung gestellt. Die technische Ausführung lag in den Händen der Bürger Egon Ramms als Protektor, Willi Grüter und Karl Neu als Bauarchitekten, Karl Ebel als Schriftführer.
Wesel, im Juni 1952. Der Arbeitsausschuß
Da im Laufe der Jahre weitere Namen von Gefallenen und Vermissten gemeldet wurden, errichtete man 1958 einen Steinsarkophag mit Platte, so dass 238 Namen für ewige Zeiten in Stein gemeißelt bleiben. Hier ehren die Fusternberger ihre toten alljährlich beim Zapfenstreich vor dem Schützenfest und am Volkstrauertag im Herbst. 1952 erfolgte unser Aufnahme in den neu erstandenen Rheinischen Schützenbund. Da der Schießstand bei Schnelling nicht mehr den Anforderungen entsprach, schoß man ab 1965 auf dem Schießstand der Weseler Bürgerschützen bei der Niederrheinhalle. Auf der Jahreshauptversammlung 1957 gab es zahlreiche Debatten, ob das Schützenfest künftig in der neuen Niederrheinhalle oder in einem Zelt gefeiert werden soll, da der Schnellingsche Saal zu klein geworden war. Die Abstimmung entschied für die Niederrheinhalle. Der Schützenverein Fusternberg nahm an verschiedenen kulturellen Veranstaltungen und Vereinsjubiläumsfeiern statt, wovon viele noch in bester Erinnerung sind. Seit dem Jahre 2002 feiert der Verein laut Versammlungsbeschluss im Festzelt auf dem Platz an der Rundsporthalle.
Inzwischen hat der Verein die Mitgliederzahl von 450 erreicht, was nicht zuletzt der urwüchsigen Gemütlichkeit der „Fusternberger Schlaatköpp" zuzuschreiben ist, die sich bei allen Veranstaltungen, wie der oft debattenreichen Jahreshauptversammlung, der Karnevalsfeier am Faschingssonntag, den Herrenabenden auf den Frühjahrs- und Herbstversammlungen, den Kompaniefesten im Kreis der Angehörigen, dem 4tägigen traditionellen Schützenfest am ersten Sonntag im Juni, dem Vereinsfamilienfest im Herbst, der Nikolausfeier mit Kinderorchester und anschließender Bescherung beweist. In dieser Schützengemeinschaft gilt das alljährliche Schützenfest als Höhepunkt des Jahres. Sie rüsten fürs Fest, schmücken ihre Hausfront mit frischem Grün, winden Eichenlaubkränze, feiern ein paar Tage ihr Heimatfest und ermitteln jedes Jahr ihren Schützenkönig wie ihre Vorfahren vor über 100 Jahren. Wenn auch mancher Hof oder Gemüsegarten der Bebauung in den nächsten Jahren weichen muss, so bleiben die Fusternberger dem Schützengeist treu verbunden unter ihrer selbst gewählten Devise:
„Ordnung – Einigkeit und Frohsinn"